Vierzehnter„Health Circle“ der Initiative Gesundheitswirtschaft:
Der (digitale) Arzt 2025 in Brandenburg: Möglichkeiten. Erwartungen. Notwendigkeiten.
Potsdam, 28. Oktober 2019

„Digitalisierung wirkt umfassend und integrierend, doch das Potenzial wird derzeit uns Studierenden längst nicht im notwendigen Maß vermittelt“, so Lisa Schmitz, die bis Oktober Bundeskoordinatorin für Medizinische Ausbildung war und dieses Thema jetzt in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) weiter begleitet. Auch die kritische Auseinandersetzung über Nutzen und Grenzen digitaler Assistenzsysteme finde damit nicht im erforderlichen Maß statt.
„Wir wollen Vorteile digitaler Systeme im Patienteninteresse nutzen – aber wir sehen den Arztberuf nicht als Anhängsel von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz!“ Mit diesem Statement brachte die in Hamburg Studierende, die sich nun im Promotionsverfahren befindet, die Herausforderung des Abends auf den Punkt: Wie soll der digitale Arzt im Jahr 2025 arbeiten? Ein Thema, das fasziniert und polarisiert – wie auch die über 100 Anmeldungen zum Health Circle zeigten. Das gemeinsam mit der KVBB und der Medizinischen Hochschule Brandenburg „Theodor Fontane“ – Mitgliedern der IGW – entwickelte Konzept des Abends ging auf. Denn an kniffligen Fragen mangelt es nicht: Jürgen G. Waldheim, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der IGW BB, stellte in seiner Begrüßung eine weitere in den Raum: „Wird es in Zukunft noch möglich sein, sicher und haftungsfrei zu diagnostizieren, wenn man digitale Systeme nicht nutzt?“ Die spannende Debatte über das komplexe Thema zeigte, dass es kein einfaches Ja oder Nein geben kann.
Holger Rostek, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der KVBB, verwies auf das enorme Tempo, mit dem digitale Systeme mit Gesundheitsbezug Einzug halten. Die Smartwhatch ermöglicht Puls- und Blutdruckmessung sowie Ein-Kanal-EKG, ständig kommen weltweit neue Apps in einer nicht zu überblickenden Zahl und kaum zu überprüfenden Qualität auf den Markt. Zunehmend kommen Patienten zum Arzt, die vorher schon mal ihre Symptome „gegoogelt“ haben und die Aussagen des Mediziners nun an den Ergebnissen messen. Das Verhältnis von Arzt und Patient wird durch diese Erwartungshaltung beeinflusst, vieles muss besser erklärt werden und kostet ohnehin viel zu knappe Zeit. „Wir digitalisieren uns sehr schnell“, betonte Holger Rostek, der selbst aus der IT kommt, also als Nichtmediziner an der Spitze der KV steht. Er nannte die Vorbereitung auf die elektronische Patientenakte, der Aufbau von Informationskanälen zwischen verschiedenen Sektoren und den Einsatz von bildgebenden Verfahren in Diagnostik als wichtige konkrete Schritte. Hier gebe es Hemmnisse, die gemeinsam überwunden werden müssten. Die Rolle des Arztes verändere sich: Er könne auf digitales Wissen zurückgreifen und brauche dafür digitale Kompetenzen, bleibe jedoch als Vertrauensperson für die Patienten unverzichtbar.
In der Podiumsdiskussion sorgte Matthias Fichtmüller, Theologischer Vorstand des Oberlinhauses, als Moderator für eine weitere Vertiefung des ohnehin überaus komplexen Themas. Dipl.-Med. Andreas Schwark, Allgemeinmediziner und Hausarzt in Bernau, berichtete über das zeitaufwendige Beschaffen von Befunden seiner Patienten aus Kliniken oder von anderen Einrichtungen, für die Betreuung. „Ich bin für Digitalisierung, wenn sie meine Arbeit nicht behindert“, betonte er. Sie müsse im Gegenteil Erleichterungen und Qualitätsverbesserungen im Interesse der Patienten ermöglichen.

Dr. Erik Weidmann, Facharzt für Innere Medizin und für Allgemeinmedizin, Notfallmedizin, leitender Notarzt und Chefarzt der zentralen Aufnahme der Ruppiner Kliniken, hob das positive Potenzial digitaler Assistenzsysteme und Künstlicher Intelligenz hervor: „Wenn KI Hinweise auf eine bedrohliche Krankheit diagnostiziert, gehe ich dem natürlich nach“, sagte er. „Die Entscheidung treffe ich als Arzt.“ Bessere Bildgebungsverfahren in der Radiologie, etwa bei der Pankreasdiagnose, der Einsatz von Big Data bei der Auswertung ermöglichten genauere und frühzeitige Diagnosen. Dies erfordere neues Fachwissen – aber „uns ist davor nicht Bange“, wie Dr. Weidmann sagte. Auf die Frage, wie ein ohnehin übervolles Studium künftig zusätzliche digitale Kompetenzen vermitteln solle, nannte er zum Teil übertriebene Spezialisierung in einzelnen Fächern. „Entscheidend sind grundlegende Kenntnisse und ein Verständnis der Rolle des Arztes als verantwortungsbewusster und vertrauensvoller Partner seiner Patienten.“ Er beklagte zugleich eine Tendenz zur Respektlosigkeit und Nichtachtung mancher Patienten gegenüber den in der Notaufnahme Tätigen. Ein Phänomen, das ebenso wie die Digitalisierung nach gesellschaftlichem Diskurs und Veränderungen verlange.
Holger Rostek brachte das Problem einer unabhängigen Bewertung von digitalen Assistenzsystem und Künstlicher Intelligenz ins Spiel: Der Patient erwarte zu Recht, das seine Ärztin oder sein Arzt nicht blind einem System vertraue, sondern sachkundig nach bestem Wissen und Gewissen entscheide. „Dafür brauchen wir jedoch Transparenz.“ Die Qualitätsüberprüfung in einem weltweit boomenden Gesundheitsmarkt in Deutschland zu organisieren, sei ebenfalls eine Herausforderung.
Bei einer Vorausschau ins Jahr 2025 wünscht sich Lisa Schmitz jedenfalls, dass sie dann in einer deutlich integrierteren Versorgung als Ärztin tätig sein kann. „Dafür bietet die Digitalisierung viele Chancen“, sagte sie. „Auch ein enges Miteinander der älteren Mediziner mit dem digital kompetenteren Nachwuchs ist wichtig, um einander gegenseitig mit den jeweiligen eigenen Stärken zu unterstützen.“ Vor allem sollten dann die deutschen Universitäten und die weiteren medizinischen Ausbildungsstätten flächendeckend digitale Kompetenzen vermitteln.