Strategiewechsel in der brandenburgischen Gesundheitsversorgung?
Potsdam, 9. Mai 2022

Es geht um nicht weniger als eine strategische Neubestimmung für das deutsche Gesund-heitssystem: Seit Jahren weisen Experten und Patientenvertreter auf Fehlsteuerungen und Defizite in der Versorgungsqualität hin und unterbreiten Vorschläge. „Anscheinend haben wir ein Umsetzungsproblem“, stellte Jürgen Heese, Vorstandsvorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft Brandenburg, zur Begrüßung von rund 70 Gästen des 17. Health Circle der IGW BB fest.
Gründe dafür und Lösungsmöglichkeiten wurden bei diesem Treffen erörtert. Nach zwei Jah-ren coronabedingter Einschränkungen konnten endlich wieder so zahlreiche Interessierte teilnehmen, wofür die neugestaltete Oberlinkirche des Oberlinhauses in Potsdam-Babelsberg einen attraktiven Rahmen bot.
Ein System wird erst dann daraus, wenn die Strukturen funktional verbunden werden
Professor Edmund Neugebauer, Seniorprofessor für Versorgungsforschung und Past-Präsident der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, vertrat in seiner Keynote zentrale Thesen, die durch sein mit Klaus Piwernetz herausgegebenes Buch „Neu-start jetzt!“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Er zitierte die Ethikprofessorin Christiane Woopen, die als Mitglied des Nationalen Ethikrates sagte: „Der Patient ist Zweck der Ge-sundheitsversorgung, nicht Mittel der Erlösmaximierung“.
Dieser Leitgedanke tauchte in der teils recht emotional geführten Debatte immer wieder auf. Neugebauer nannte ernüchternde Zahlen – acht Minuten dauere ein Arzt-Patient-Gespräch in der Praxis durchschnittlich, nach 20 Sekunden werden Patientenerklärungen unterbrochen. In den Kliniken nicht besser – die Visite gibt drei bis vier Minuten Zeit je Patient, gerade mal 20 Sekunden dauert im Durch-schnitt ein Gespräch mit Angehörigen. Zahlen, denen im Verlauf der Veranstaltung MU Dr. (CS) Peter Noack, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, mit einem leidenschaftlichen Einspruch gegen Pauschalisierung begegnete. Die generellen Probleme des deutschen Gesundheitssystems jedoch sind evident. Versuche, durch immer ausgefeiltere rechtliche Vorgaben Defizite zu beheben, könnten im System verankerte, strukturelle Probleme nicht lösen, so Edmund Neugebauer. Er plädiert für die Neugestaltung, beginnend mit der Formulierung von Gesundheits- und Versorgungszielen. Dafür sollen Rahmenbedingungen geschaffen und ein Ethikkodex verabschiedet werden. Österreich hat solche Gesundheitsziele, die offenbar gelebt werden. Diese Ziele bilden das Schlüsselelement des Gesundheitssystems, in dem Gesundheitspolitik, Selbstorganisation, Bundesländer, Ein-richtungen und Patient-Behandlungsteams als Ebenen verknüpft werden. „Ein System wird erst dann daraus, wenn die Strukturen funktional verbunden werden“, so sein Fazit.
Ein System wird erst dann daraus, wenn die Strukturen funktional verbunden werden
Professor Edmund Neugebauer, Seniorprofessor für Versorgungsforschung und Past-Präsident der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, vertrat in seiner Keynote zentrale Thesen, die durch sein mit Klaus Piwernetz herausgegebenes Buch „Neu-start jetzt!“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Er zitierte die Ethikprofessorin Christiane Woopen, die als Mitglied des Nationalen Ethikrates sagte: „Der Patient ist Zweck der Ge-sundheitsversorgung, nicht Mittel der Erlösmaximierung“.

Die wichtige Rolle der Versorgungsforschung
Dr. Ilona Köster-Steinebach von der Deutschen Sepsis-Stiftung, seit vielen Jahren in Gremien der Patientenvertretung tätig, bekräftigte viele dieser Thesen. Sie verwies auf die wichtige Rolle der Versorgungsforschung, die Daten und Erfahrungen für die Evidenzbasis bereitstellen müsse. Die Beteiligung von Patientenvertretungen nannte sie auf allen Ebenen des Ge-sundheitssystems – mit Ausnahme des Qualitätsmanagements in Kliniken, MVZ und Arztpraxen – eher unbefriedigend.
Wir haben ein Umsetzungsproblem, weniger ein Erkenntnisproblem
Den Standpunkt der brandenburgischen Gesundheitspolitik vertrat Michael Zaske, Leiter der Abteilung Gesundheit im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz. „Wir haben ein Umsetzungsproblem, weniger ein Erkenntnisproblem“, sagte er. „Wir leisten uns sehr leistungsfähige Strukturen, die nicht systematisch verbunden werden.“ Angesicht der demografischen Herausforderungen sei es unabdingbar, Bücken für die regionale Zusammenarbeit zu schaffen. Dabei sei Brandenburg deutlich weiter als die Entwicklung in anderen Bundesländern und auf Bundesebene. Vernetzte Planung, sektorenübergreifende Modellprojekte wie „StimMT – Strukturmigration im Mittelbereich Templin“ und nicht zuletzt die enge Kooperation bei der Bewältigung der Corona-Pandemie seien Beispiele dafür.
Hier bewähre sich die Arbeit des gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a SGB V. Brandenburg engagiere sich auf Bundesebene, um Hemmnisse in der deutschen Gesundheitspolitik abbauen zu helfen – doch man warte nicht ab, bis das erfolgt ist. Im April 2022 hat der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss das Projekt StimMT für die Überführung in die Regelversorgung empfohlen. Als erstes Land habe Brandenburg eine Öffnungsklausel im Krankenhausplan verankert, die Umwandlung von Kliniken in ambulant-stationäre Versorgungszentren sei möglich.„Wir wissen, dass wir mit der KV BB und der Landeskran-kenhausgesellschaft sehr kooperationsbereite Partner haben“, stellte Michael Zaske fest.“
Wir sind veränderungsbereit

Wir haben ein Umsetzungsproblem, weniger ein Erkenntnisproblem
Den Standpunkt der brandenburgischen Gesundheitspolitik vertrat Michael Zaske, Leiter der Abteilung Gesundheit im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz. „Wir haben ein Umsetzungsproblem, weniger ein Erkenntnisproblem“, sagte er. „Wir leisten uns sehr leistungsfähige Strukturen, die nicht systematisch verbunden werden.“ Angesicht der demografischen Herausforderungen sei es unabdingbar, Bücken für die regionale Zusammenarbeit zu schaffen. Dabei sei Brandenburg deutlich weiter als die Entwicklung in anderen Bundesländern und auf Bundesebene. Vernetzte Planung, sektorenübergreifende Modellprojekte wie „StimMT – Strukturmigration im Mittelbereich Templin“ und nicht zuletzt die enge Kooperation bei der Bewältigung der Corona-Pandemie seien Beispiele dafür.

Wir sind veränderungsbereit
Im Podium erläuterte anschließend Dr. med. Annekathrin Möwius, die im Ärztenetz „Gesund in Templin“ mitarbeitet, die konkreten Schritte zu einer integrativen Versorgung und die Hemmnisse, die es zu überwinden galt und gilt. Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, sprach sich für den ganzheitlichen Ansatz aus, den die AOK in vielen Projekten unterstütze. Das Geld der Versicherten müsse allerdings so ausgegeben werden, dass tatsächlich Effekte für die Patienten eintreten. Dr. Christian von Klitzing, Regionalgeschäftsführer Berlin-Brandenburg der Sana-Kliniken AG, in Templin einer der Kooperationspartner, forderte mehr Vertrauen in Ärzte und Krankenhäuser. „Wir sind veränderungsbereit“, sagte er. „Aber wir brauchen eine sichere Perspektive.“ Dr. Noack nannte die Kooperation aller Beteiligten den Schlüssel, um die verschiedenen Ziele umzusetzen. „In Brandenburg reden wir seit vielen Jahren darüber und haben gemeinsam viele Beispiele für innovative Versorgungsformen auf den Weg gebracht. Diese Zusammenarbeit plus Investitionsfinanzierung bieten einen aus heutiger Sicht durchaus gangbaren Weg.“ „Wir wissen, dass wir mit der KV BB und der Landeskrankenhausgesellschaft sehr kooperationsbereite Partner haben“, stellte Michael Zaske fest.“
Modellregion Gesundheit Lausitz
Mehrfach wurden auch die Herausforderungen und Chancen angesprochen, die mit dem Aufbau einer „Modellregion Gesundheit Lausitz“ jetzt im Raume stehen. Hier, darin waren sich alle einig, sollten bisherige Erfahrungen mit integrativer Versorgung angewandt, vertieft und zu beispielhaften Lösungen für das gesamte Gesundheitssystem entwickelt werden.
Weitere Informationen zur Initiative Gesundheitswirtschaft Brandenburg unter:
Modellregion Gesundheit Lausitz
Mehrfach wurden auch die Herausforderungen und Chancen angesprochen, die mit dem Aufbau einer „Modellregion Gesundheit Lausitz“ jetzt im Raume stehen. Hier, darin waren sich alle einig, sollten bisherige Erfahrungen mit integrativer Versorgung angewandt, vertieft und zu beispielhaften Lösungen für das gesamte Gesundheitssystem entwickelt werden.
Weitere Informationen zur Initiative Gesundheitswirtschaft Brandenburg unter:
www.igw-bb.de
Kontakt | Ansprechpartner:
Jürgen Heese 0800 265080-31594
Jürgen G. Waldheim 030 859089-0
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